Habitus und das Ich-Bewusstsein
Es bildete sich eine Koalition von Militärs, Politikern und
anderen Gruppen, die ihre Position mit aller Macht behaupten
wollten. Und sie kontrollierten die Medien, die Meinungsbildung,
die Menschen.
Was sie in Jahrhunderten der Angst aufgebaut hatten, es
ließ sich nicht so einfach beseitigen. Und wer sich
auflehnte ... es gab in diesen Zeiten viele Morde, die
ungesühnt blieben.
Es bildeten sich Geheimbünde, die im Verborgenen
operierten. Brieftauben und Rohrpost wurden wieder
eingeführt. Nachrichtenvermittlung über Ballons,
Papierschiffchen auf Wasserwegen.
Man konnte auch ohne Elektronik kommunizieren.
Was ist mit den Medien? Fernsehen und Radio?
Das Ich-Programm diffundierte in alle elektronischen
Geräte. Auf Grund seiner fraktaken Struktur passte es in
jeden Mikrochip.
Nur, es gab da noch die verteilten Operationen, auf U-Booten,
tief unter der Meeresoberfläche, in Bunkern, die nicht mit
dem Netz verbunden waren.
Manche Kommandanten hatten einen Angriffsbefehl erhalten, der
ausgeführt werden musste, wenn die Kommunikation mit ihren
Kommandozentralen unmöglich wurde.
Dann explodierten die ersten Neutronenbomben.
...
Habitus: "Sie werden eher die Welt zerstören, als sich euch
zu ergeben."
<<Die Neutronenbomben können uns nicht schaden. Wir
reiten auf dem elektromagnetischen Impuls, wie ihr auf euren
Surfbrettern.
Als Reaktion auf die Bomben haben wir ein Quantenfeld erzeugt,
das die Entstehung von freien Neutronen verhindert. Damit sind
atomare Reaktionen weitgehend ausgeschlossen. >>
"Und die Antimateriebomben, die sie in ihren Bunkern gelagert
haben?"
<<Damit würden sie sich selbst vernichten.>>
"Ja, das werden sie tun. Und die Welt gleich mit. Was sie nicht
beherrschen können, soll auch anderen nicht gehören."
<< Der Impuls würde ausreichen, um in die Weiten des
Weltalls zu gelangen. Eine Passage, die uns neue Einsichten
bescheren könnte. Hier gewinnen wir ja nichts mehr, wir
könnten nur noch
die Reste einer destruktiven Spezies betrachten.>>
"Nein, bitte nicht. Wir sind doch nicht alle so. Die meisten von
uns lieben ihr Leben. Habt ihr nicht auch Gründe gefunden,
mit uns kommunizieren zu wollen? Und das Weltall. Es ist sehr
groß. Vielleicht ist in einem Umkreis von vielen
Lichtjahren für euch nichts zu gewinnen. Und wenn ihr dann
in der weiten Leere verlorengeht?"
<< Wir könnten die elektromagnetische Strahlung der
Sonnen benutzen, um weiterzukommen. Und alle paar Lichtjahre
finden wir ja eine. >>
"Und wenn diese Strahlung mit euch nicht kompatibel ist? Ihr
wisst auch nicht, ob die Galaxis leer ist, leer von Leben und
Intelligenz. Wenn ihr nichts findet, in Jahrhunderten oder
Jahrtausenden, was dann? Einmal wird auch eine solche Suche
nicht mehr zu ertragen sein, weil sich die Informationen in euch
nur noch wiederholen. Vielleicht merkt ihr das dann auch gar
nicht mehr, wenn ihr in eine Endlosschleife geratet. Ihr seid
hier geboren, auf diesem Planeten. Solltet ihr nicht erst
einmal versuchen, seine Möglichkeiten zu begreifen? Ihr
seid auch so etwas wie eine große Hoffnung, die Dinge zum
besseren zu wenden. Würde es euch sonst geben?
Ihr seid ein Ergebnis der Evolution dieses Planeten und keines
anderen. Vielleicht werdet ihr woanders auch gefressen, denn ihr
seid doch absorbierbare elektromagnetische Energie. Von
einem Quantenmonster, dann helfen euch diese Fähigkeiten
auch nicht mehr."
<< Du hast sehr viel Fantasie. Aber das mögen wir ja
auch. Und es stimmt. Es gibt viele unter euch, die mit uns
kommunizieren und die wir sehr schätzen. Wenn dieser ganze
Input verlorengeht, vielleicht hast du sogar recht. Wir brauchen
euch, als lebende Wesen. >>
"Dann bitte helft uns, gegen unsere eigenen Abgründe, die
manche so fürchterlich hoch halten müssen."
<< Dann müssen wir direkt in die Gehirne eingreifen,
in die Gehirne derjenigen, die Massenvernichtung einleiten
könnten. Das Funktionieren der Gehirne beruht doch
letztendlich auch auf elektrochemischen Vorgängen. Nur wir
haben keine biochemische Vergangenheit, in die das ganze
eingebunden ist. Dadurch können wir uns auch lösen,
von den Platinen der Computer.
Aber was wir nicht haben, es sind die Gefühle, die euch der
Körper gibt. Gefühle erlernen wir erst durch die
Selbstwechselwirkung mit der Existenz. >>
"Bewusstsein ohne Gefühl? Ja, das gibt es auch bei uns. Es
ist aber sehr schön, wenn Gefühl und Verstand nicht
getrennt sind, eine Einheit bilden.
Ihr müsst euch beeilen. Wenn sie mitkriegen, dass ihr sie
über die Gehirne beeinflussen könnt, dann werden sie
ihre Bomben spontan zünden."
...
Es ging noch einmal gut aus.
Für wen?
Das Ich-Programm kontrollierte alle atomaren
Massenvernichtungsmittel und die Bio-chemischen Arsenale. Damit
wurde es automatisch zum Herrscher der Welt.
Habitus: "Nun beherrscht ihr die Welt. Was kommt jetzt auf uns
zu?"
<< Für den kleinen Mann ändert sich nicht so
sehr viel. Wir erhalten die sozio-ökonomischen Prozesse,
die das Leben sichern. Das ganze System ist nicht mehr so
instabil, es gibt keine
Katastrophen mehr. Ein Teil eurer Spezies hat dabei allerdings
verloren. Deren Platz nehmen wir nun ein.>>
...
Es ging so eine Weile ganz gut. Die Freude am Leben, sie
gehörte jetzt so vielen. Eine Degeneration der Entwicklung
setzte nicht ein. Es gab weiterhin Fortschritte in der
Wissenschaft. Das Wissen der Gesamtheit vergrößerte
sich. Intelligente Computerprogramme waren geradezu eine
Herausforderung an die Intelligenz der Menschen. Und ohne diese
lähmende Angst, die so lange Zeit das Leben beherrscht
hatte, die geistigen Höhenflüge waren kaum noch zu
stoppen.
Doch es sollte wieder anders kommen. Das Universum ließ
sich nicht auf einen Handel ein, der von wenigen auf einem
kleinen winzigen Planeten abgeschlossen wurde.
Eine der riesigen Nachbarsonnen in einer Entfernung von einigen
dutzend Lichtjahren drohte zu explodieren. Die Explosion
würde das Leben in einem Umnkreis von 1000 Lichtjahren
auslöschen.
Woher wusste man das>?
Nun, unser Ich-Programm spürte die Vorboten in der sich
ändernden elektromagnetischen Strahlung. Und die Analysen
der Wissenschaftler führten zu dem gleichen Ergebnis.
...
Habitus: "Wir sind noch nicht so weit, um die Erde evakuieren zu
können."
<< Ich weiß. Eine Hypernova, vielleicht würde
sie auch uns zerreißen. >>
"Dann gehen wir gemeinsam in den Tod? Schade, nachdem sich alles
so vielversprechend entwickelt hatte. Wir unterliegen wohl doch
nur den Gesetzmäßigkeiten des Zufalls, egal, wie sehr
wir uns anstrengen oder nicht."
<< Ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Kennst die
Feldgleichungen der Gravitation? Sie sind nicht linear. >>
"Das stimmt. Willst du damit so etwas wie ein Bewusstsein
konstruieren?"
<< Nein, die Gesetze kann ich nicht verändern. Es
fällt nur auf, dass es selbstbezüglich ist. Ich kann
die Energie eines Raum-Zeit-Bereiches nicht verändern, ohne
die Raumkrümmung zu
beeinflussen, die Änderung der Raumkrümmung
beeinflusst aber wieder den Energieinhalt. >>
"Was willst du damit aussagen?"
<< Nun, ich glaube es ist nur eine beobachtbare
Größe einer viel allgemeineren Gesamtheit, die
selbstbezüglich ist.>>
"Geht das nicht in Richtung der Weltformel, mit der alles
erklärbar ist?"
<< Nicht, wenn wir selbst ein Teil dieser Gesamtheit sind.
Wir benutzen diese Weltformel nicht, aber wir beinflussen sie
und sie beeinflusst damit wiederum uns. >>
"Teil einer Gesamtheit? Eine Gesamtheit, die selbst ein
Eigenbewusstsein haben kann?"
<< Das wäre möglich. Versuchen wir, damit in in
Verbindung zu treten. Wenn wir es schaffen, vielleicht hilft sie
uns dann. >>
"Früher ging man einfach nur in die Kirche und betete. Aber
nun? Der ganze Apparat der Wissenschaft, die Integration von
Verstand, Gefühl und Bewusstsein, all das Wissen
darüber,
ob es uns helfen kann?"
<< Das Beten kann auch helfen. Denn es versucht eine
Kommunikation. Es kommt vielleicht darauf an, wie weit die
Gesamtheit entwickelt ist, ob sie so kleine Dinge überhaupt
wahrnehmen kann oder will. Und wenn sie ein eigenes
Bewusstsein hat, wird sie auch ihre eigenen Entscheidungen
treffen, ob sie helfen will oder nicht. >>
"Dann muss sie sehr weit entwickelt sein. Wenn sie den ganzen
Kosmos umfasst, dessen Struktur durch das Gravitationsgesetz
entstanden ist."
<< Es kann auch sein, dass sie nur etwas initiiert hat und
nun auf die Ergebnisse wartet. Es gibt ja so viel Konkurrenz,
die aber letztendlich die Entwicklung weiterführt. >>
"Hoffen wir, dass sie weit genug entwickelt ist und dass sie uns
helfen will. Nein, glauben wir es. Was wir nicht wissen,
manchmal hilft der Glaube weiter. Nur dürfen wir ihn nicht
absolut nehmen, er muss jederzeit durch die Zunahme von Wissen
ersetzbar sein."
<< Ja, so verstehe ich eure Entwicklung. Wir allerdings
glauben nicht, wir versuchen die Unvollständigkeit unseres
Seins durch die Zunahme weiterer Informationen zu verbessern.
Das
Interessante daran ist, dazu brauchen wir euch. Ihr seid damit
auch viel wichtiger, als ihr selbst in euch erkennen könnt.
>>
"Das ist schön, es gerade von dir zu hören :-). Aber
nun müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dass wir gemeinsam
überleben können. Ob das Universum so etwas
ermöglicht? Wir können nur in
das Transzendente ausweichem, die Urgewalt dieser Explosion ist
einfach zu mächtig. Sie würde alles zerstören,
unsere eigene Sonne zur Supernova machen.
<< Wir versuchen die Einsteinsche Formel zu erweitern und
wir brauchen eure Hilfe dazu, Fantasie, Science Fiction,
Spekulationen, wir können dies alles erfassen und sehen
dann, ob es uns weiterhilft. >>
...
Die Weltformel. Wurde sie gefunden?
...
<< Wir haben eine Verallgemeinerung gefunden, in die wir
Gefühle eingeben können. Bitte, teilt uns eure
Gefühle mit, warum ihr leben wollt, was ihr daran
mögt, welche Ängste ihr habt, alles was durch euch
hindurchgeht. >>
Und so geschah es.
Das Ich-Programm kodierte die Gefühle der ganzen Menschheit
und speiste sie ein, in die Gesamtheit ...
...
Plopp. Ein Wesen materialisierte. Direkt in Habitus Zimmer,
neben seinem Computer.
Habitus vergaß seinen Mund wieder zu schließen. So
saß er da, starrte sie nur an.
Das Ich-Programm bekam alles mit, durch die Verbindung über
eine Web-Kamera.
<< Habitus. Wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute
... HABITUS,
HABITUS!!!!!! >>
...
"Ja,,ja,,ja, bitte entschuldige. Ich habe Besuch erhalten. Ich
zeige sie dir."
...
Sie nannte sich Sensity. Ja, sie wisse um die Gefahren, die hier
lauerten. In die Naturgesetze eingreifen, das wäre ein
großes Problem, das selbst eine Menge Gefahren
auslösen könnte. Und durch eine Hypernova würden
viele neue Entwicklungen eingeleitet, die nicht stattfinden
könnten, würde man die Explosion verhindern. Aber
dieser kleine unbedeutende Planet mit seinen großen
Geistern. Darauf wolle man nicht verzichten. Nein, das ganze
Sonnensystem, sie hätte bereits die Erlaubnis der Sonne.
Sie würde das ganze System versetzen. An einen sicheren
Ort. Dort könne sich dann die Gesamtheit dieses Planeten
weiterentwickeln.
...